Warum Menschen wieder Bienen in Baumhöhlen halten

Autorin: Marie Fröhlich

Bienen und Menschen koexistieren seit Tausenden von Jahren – da hatten wir schon viel Zeit für die Arbeit an der Beziehung! Beide Seiten haben Kompromisse gemacht und Bienen sind zum Glück anpassungsfähige Lebewesen. Sie haben die verschiedensten Arten von Holzkisten, die sich von uns Menschen gut bedienen lassen, als Behausungen angenommen. Doch mit der weltweiten Verbreitung der Varroamilbe sind unsere Honigbienen von uns abhängig geworden – und Abhängigkeit ist ja nie gut für eine Beziehung. Ein Trend der letzten Jahre könnte diesem Missverhältnis entgegenwirken.

Die Baumhöhle – ein natürliches Zuhause für Honigbienen

Schon in der Steinzeit sammelten Menschen den Honig wild lebender Bienenvölker. Sie fanden die wilden Bienenvölker in Baumhöhlen, die für ihre früheren Bewohner (zum Beispiel den Specht) zu groß geworden waren. Im Mittelalter begannen die Menschen, selbst Löcher in die Bäume zu schlagen, um Bienen anzusiedeln – der Beruf des Zeidlers war geboren! 

Warum leben Bienen gerne in Baumhöhlen?

  1. Ideale Größe (Bienen präferieren eine Wohnung mit einem Volumen von ~45 Litern)
  2. Gute Isolation der Baumhöhlen durch dicke Wände > relativ konstante Temperatur, die leicht zu halten ist
  3. Konstante Luftfeuchtigkeit und gutes Beutenklima > keine Schimmelbildung
  4. Gute Bienengesundheit durch raue Innenwände, die die Bienen zum Propolisieren anregen

Um die Bienen anzulocken, brachte man alte Brutwaben in die Baumhöhle ein und bepinselte die Innenwände der Höhle mit Propolis. Die wilden Honigbienen waren zu Hochzeiten der Zeidlerei noch autonom überlebensfähig und nicht abhängig von der Betreuung der Menschen. Heute korreliert die Anzahl der Honigbienenvölker annähernd mit der Anzahl der Imker:innen.

Zwei Imker stehen in mehreren Metern Höhe auf einer Holzkonstruktion am Baum und logieren einen Bienenschwarm in eine Baumhöhle ein

Bienen einlogieren in schwindelerregender Höhe

Bienen im lebenden Baum halten kann den oder die Imker:in vor logistische Herausforderungen stellen.

Tausche Höhe gegen Nähe

Bienen nisten am liebsten in mehreren Metern Höhe. Man kann das Prinzip “Baumhöhle” aber auch in Bodennähe umsetzen. Die sogenannte Klotzbeute vereint die Vorteile einer natürlichen Baumhöhle mit dem Komfort einer modernen Bienenbehausung. Um eine Klotzbeute herzustellen, schlägt man das Loch in einen abgesägten Baumstamm statt in den lebenden Baum ein. Das klingt trivial, erfordert aber spezielle Werkzeuge, eine über Jahrhunderte überlieferte Technik, und eine ordentliche Portion Muskelkraft.

Klotzbeuten bauen lernen und viel Theorie

Die Tradition der Zeidlerei erfährt gerade ein Revival. Ihre Verfechter:innen vereint eine noble Motivation: sie möchten die Honigbiene schützen und einen artgerechten Umgang pflegen, der ganz die Bedürfnisse der Bienen in den Vordergrund stellt. In diversen Workshops kann man heute lernen, wie man bienengerechte Baumhöhlen und Klotzbeuten anlegt und was es bei dieser Haltungsform zu beachten gilt. Ob die Höhlen in lebende Bäume geschlagen werden oder in Baumstümpfe, die im eigenen Garten errichtet werden können, ist unbedeutend. Beide Methoden bieten Bienen ein natürliches Habitat – gut isoliert und mit perfektem Beutenklima.

Vom Baum zur Bienenwohnung

Mit einem speziellen Zeidler-Werkzeug wird der Baum in Handarbeit ausgehöhlt und die notwendigen Öffnungen wie Revisionsklappe und Flugloch geschaffen. Die längliche Revisionsklappe ermöglicht einen leichten Einblick in die Wabengassen und eine Ernte von überschüssigen Honig nach dem Winter. 

Wir lernen von polnischen Zeidlern

Mit dem Aussterben der Zeidlerei-Tradition in Deutschland blieb lediglich der Wissenstransfer von polnischer Seite. Dieser stützt sich auf eine jahrhundertelange Familientradition, die in einem Waldgebiet namens “Augustowska” in Ostpolen praktiziert wird. Nach Aussage der polnischen Zeidlermeister Andrzej Pazura und Jacek Adamczewski lebt hier eine lokal angepasste Honigbiene (lat.: Apis Mellifera Mellifera Augustowska) ohne menschliches Eingreifen.

Diese Tatsache bringt Hoffnung und Gewissheit, dass durch die richtigen Maßnahmen auch in Deutschland mehr Honigbienenbölker vom Menschen unabhängig leben können. Dazu müssen die gesetzlichen Voraussetzungen und eine große Diversität des Waldes gegeben sein. Aufgrund des heutigen Zustandes der Wälder könnte das Vorhaben an Letzterem scheitern, denn Bienen sind ein guter Indikator für die Gesundheit des Waldes.

Auf Tuchfühlung

Johannes führt die letzte Kontrolle in der Baumwohnung durch, während der Schwarm einläuft.

Naturwabenbau im Inneren einer besiedelten Baumhöhle

Naturwabenbau im Inneren der Höhle

Die Bienen bauen ihre Waben von der oberen Höhlenwand nach unten. An den Seitenwänden werden die Waben nicht festgekittet.

Unabhängigkeit der Biene vom Menschen – es gibt Hoffnung!

Der Kreis der modernen Zeidler:innen stützt sich auf neuere Erkenntnisse aus der Forschung, vor allem aus den Arbeiten des US-amerikanischen Bienenforschers Thomas D. Seeley und dem deutschen Biologen Torben Schiffer. Seeley hat über mehrere Jahrzehnte wild lebende Honigbienenvölker im Arnot Forest im Staat New York erforscht und hat dabei spannende Erkenntnisse über ihre natürlichen Bedürfnisse erlangt. 

Kampf gegen die Varroa: Survival of the fittest

Einige Jahre nachdem die Varroamilbe sich im von Seeley erforschten Gebiet etabliert hatte, waren die wilden Honigbienen nicht ausgestorben, obwohl sie ganz ohne menschliche Hilfe dem Parasiten ausgeliefert waren. Durch natürliche Selektion ging die Bienenpopulation massiv zurück und nur die Völker mit der richtigen Abwehrtechnik überlebten. Die daraus entstanden, besonders wehrhaften Völker ließen den Gesamtbestand wieder anwachsen.

> Lesetipp: Wenn du mehr über Seeleys Vorgehen und Erkenntnisse erfahren möchtest, empfehlen wir sein Buch “Das Leben wilder Bienen”.

Hoffnung auf varroaresistente Bienen

Durch die regelmäßige Behandlung der Bienen gegen die Varroamilbe hatten unsere Honigbienen nie die Chance, ausreichende Abwehrmaßnahmen im Umgang mit der Milbe zu entwickeln. Gemeinsam mit Seeley und weiteren Expert:innen gehen wir aber davon aus, dass in entsprechend ausgewiesenen Rückzugsräumen und natürlichen Behausungen die Möglichkeit besteht, varroraresistente Populationen zu etablieren und auszuwildern.

In Kooperation mit mehreren Vereinen und aktiven Zeidlern fördert Stadtbienen den Aufbau natürlicher Bienenhöhlen und den Aufbau von Rückzugsräume für wilde Honigbienenvölker. Als Unterstützer:in kannst du mit einer Spende für dieses Projekt aktiv werden (Stadtbienen e.V., IBAN DE24 4306 0967 1161 9888 00, Verwendungszweck “wilde Honigbienen”).

Quellen & weiterführende Links

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