Die Honigbiene ist unverzichtbar für unsere Ökosysteme. Doch wer sie wirklich unterstützen will, braucht mehr als gute Absichten. Entscheidend ist, ihre Bedürfnisse zu verstehen und ökologische Zusammenhänge mitzudenken. Hobby-Imker:innen mit naturnahem Ansatz leisten dabei einen wichtigen Beitrag: Sie fördern die Gesundheit der Honigbienen und stärken indirekt auch die Biodiversität. Denn die Begegnung mit den Bestäubern verändert oft den Blick auf das Zusammenspiel von Mensch und Natur – und ist für viele ein erster Schritt zu einem nachhaltigeren Umgang mit ihrer Umwelt.
Autorin: Maria Frei
Vor etwa zehn Jahren war das Wort „Bienensterben“ in aller Munde. Die Sorge war groß, ebenso wie der Wunsch vieler Menschen, etwas gegen den Rückgang der Bienenpopulationen zu tun. Ein regelrechter Boom der Hobby-Imkerei setzte ein, getragen von der guten Absicht, aktiv zur Rettung der Honigbiene beizutragen. Auch Stadtbienen wurde in dieser Zeit gegründet.
Das Engagement für die Bestäuber war und ist berechtigt: Die Honigbiene ist unverzichtbar für unsere Ökosysteme. Gemeinsam mit anderen bestäubenden Insekten trägt sie zum Erhalt der genetischen Vielfalt von Pflanzen bei. Diese Vielfalt ist entscheidend dafür, dass Pflanzenpopulationen sich an wechselnde Umweltbedingungen anpassen können. So entstehen widerstandsfähigere Ökosysteme, die langfristig zu klimaresilienteren Landschaften beitragen.

Bestäubung sichert Vielfalt
Die meisten europäischen Nutz- und Wildpflanzen sind auf Bestäubung angewiesen. Ohne Bienen und andere bestäubende Insekten sähen viele Supermarktregale ziemlich leer aus – so wie unsere Teller.
Auch mit Blick auf unsere Ernährung und die Wirtschaft ist die Honigbiene von großer Bedeutung: Rund 75 % [1] aller heimischen Kultur- und Nutzpflanzen sind auf Bestäubung angewiesen. Die Honigbiene leistet dabei den Löwenanteil. Der wirtschaftliche Nutzen ihrer Bestäubungsleistung wird allein in Deutschland auf rund 3,8 Milliarden Euro pro Jahr [2] geschätzt.
Mehr Honigbienen = mehr Bienenschutz? Eine Rechnung, die nicht aufgeht
So wichtig die Honigbiene für unsere Ökosysteme ist – mit dem Ruf nach immer „mehr Honigbienen“ ist weder ihr noch anderen Bestäubern geholfen. Nicht jede Form der Bienenhaltung stärkt die Honigbiene und ein Beitrag zur biologischen Vielfalt ist die klassische Imkerei ohnehin nicht. Problematisch wird es dann, wenn möglichst hohe Honigerträge im Vordergrund stehen und weder auf das Wohl der Bienen noch auf ökologische Zusammenhänge geachtet wird. Wo viele Honigbienenvölker auf engem Raum leben, entsteht Nahrungskonkurrenz. Das wird vor allem für Wildbienen und andere bestäubende Insekten zum Problem, die ohnehin unter den Folgen von Lebensraumverlust, hohem Pestizideinsatz und Klimawandel leiden. Hinzu kommt: Eine dichte Besiedlung begünstigt Krankheiten und Parasiten wie die Varroamilbe, die nicht nur Honigbienen, sondern möglicherweise auch Wildbienen gefährden kann. [3]
Kein Wunder also, dass Kritiker:innen die Honigbiene heute als „Nutztier wie jedes andere“ bezeichnen – und damit nicht ganz Unrecht haben. Einst ein wildes Waldinsekt, ist sie heute auf menschliche Betreuung angewiesen.

Ohne Hilfe geht’s nicht
Die Varroamilbe ist einer der wichtigsten Gründe dafür, dass die Honigbiene auf uns Menschen angewiesen ist. Sie kann sich bislang kaum selbstständig gegen den hartnäckigen Parasiten wehren.
Verantwortungsvoll imkern bedeutet: Bees first!
Um der Honigbiene wirklich zu helfen, braucht es einen bewussten Umgang mit der Imkerei und das Verständnis, dass die Honigbiene weit mehr ist als eine Honiglieferantin. Genau hier setzt unsere Arbeit an: Unsere ökologische Bienenhaltung stellt das Wohl der Bienen in den Mittelpunkt, nicht den maximalen Honigertrag. Wir arbeiten mit Naturwabenbau und der Schwarmfreude der Insekten, lassen die Bienen auf ihrem eigenen Honig überwintern und entnehmen nur den Überschuss. Auch bei der Standortwahl achten wir auf ein ausgewogenes Verhältnis: nicht mehr als zwei Völker pro Ort, damit ausreichend Nahrung für alle bestäubenden Insekten bleibt. Bei der Standortbesichtigung prüfen wir das Nahrungsangebot und bieten Unterstützung bei der bienenfreundlichen Umgestaltung der Flächen an.
Wir sind überzeugt: Eine naturnahe Bienenhaltung ist ein wichtiger Schritt auf dem langen Weg hin zu einer resilienteren Honigbiene, die langfristig weniger auf menschliche Unterstützung angewiesen ist. Denn im Gegensatz zur konventionellen Zucht setzt die ökologische Bienenhaltung auf die Erhaltung genetischer Vielfalt und lässt natürliche Selektionsprozesse zu. So können sich robuste Völker entwickeln, die besser an ihre Umwelt angepasst sind und beispielsweise Krankheiten oder Parasiten wie die Varroamilbe aus eigener Kraft besser bewältigen. Hobby-Imkerei kann durch ihren extensiven Charakter, der zumeist nicht auf die Maximierung des Honigertrags abzielt, damit zu einer Praxis werden, die die Honigbiene nicht ausbeutet, sondern stärkt.
Wer sich für die Hobby-Imkerei entscheidet, übernimmt viel Verantwortung – nicht nur für ein Bienenvolk, sondern auch für das Zusammenspiel zwischen Mensch und Natur. In unseren Kursen geht es deshalb um mehr als das Imkerhandwerk: Wir vermitteln ein Verständnis für die natürliche Lebensweise der Honigbiene und für die ökologischen Zusammenhänge, in die sie eingebunden ist. Wildbienen und Biodiversität sind dabei feste Bestandteile unseres Kursplans.
Tatsächlich entscheiden sich nur rund 44 % unserer Imkerkurs-Teilnehmenden für eigene Bienen. Wer diesen Schritt geht, tut das in der Regel sehr bewusst: Etwa die Hälfte erntet überhaupt Honig, 97 % halten ihre Bienen mindestens teilweise nach ökologischen Kriterien, ein Drittel sogar vollständig. [4]

Vom Hobby zur Lebenseinstellung
Imkern ist mehr als ein Hobby – es eröffnet tiefe Einblicke in das faszinierende Leben der Honigbiene und die Wunder der Natur. Nicht selten wird aus Faszination ein aktives Engagement für Bestäuber und ihre Umwelt.
Engagement über den Bienenstock hinaus
Dennoch: Viele unserer Teilnehmer:innen tragen den Imkerschleier nur im Kurs – ganz ohne eigene Bienen – und nehmen trotzdem viel für sich mit. Die Begegnung mit den Bienen schärft das Bewusstsein für ökologische Zusammenhänge und verändert den Blick auf die Umwelt nachhaltig. Denn die Zusammenarbeit mit den Bienen macht es fast unmöglich, sich nicht als Teil des großen Ganzen zu begreifen. Häufig entsteht daraus ein aktives Engagement für die Natur: Viele beginnen bienenfreundlicher zu gärtnern oder geben ihre Naturbegeisterung weiter.
Deshalb bleiben die Honigbiene und die Hobby-Imkerei ein fester Teil unserer Stadtbienen-DNA. Weil wir wissen, dass die Honigbiene uns braucht, um gesünder und unabhängiger zu werden. Weil sie, wie ihre bestäubenden Insektenkollegen, auf vielfältige Lebensräume angewiesen ist. Und weil wir tagtäglich mit unserer Arbeit erleben, dass die Begegnung mit der Honigbiene ein Anfang sein kann: der Einstieg in ein sensibles, ganzheitliches Naturverständnis, in ökologisches Denken und in ein Handeln, das über den Bienenstock hinausreicht.
Quellen
[1] https://www.boell.de/sites/default/files/2020-02/insektenatlas_2020_II.pdf
[2] https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/
S0921800920300793?via%3Dihub
[3] V. Doublet et al., Shift in virus composition in honeybees (Apis mellifera) following worldwide invasion by the parasitic mite and virus vector Varroa destructor (2024)
[4] Stadtbienen Imkerkurs-Zwischenumfrage 2024/25
Bildnachweis
1: Marie Fröhlich
2: Adrian Scheel
3: Melina Mörsdorf Photography
4: Marie Fröhlich