Biotechnische Maßnahmen in der Varroabekämpfung

Das Problem ist nicht die Varroa-Milbe selbst, sondern es sind die verschiedenen Viren, die der kleine Parasit überträgt und damit die Bienenvölker schwächt. Seit die Milbe in den 1970er Jahren aus Asien zu uns kam, versuchen Imker und Bienenforscher Mittel und Wege zu finden, sie wieder loszuwerden. Denn die hier heimische Honigbiene Apis mellifera schafft es – anders als die asiatische Biene Apis cerana – nicht, die Varroa-Milben selbst zu bekämpfen. Kamen in den vergangenen Jahren mehr und mehr Mittel und Anwendungsverfahren auf den Markt, um das Milbenproblem zu bekämpfen, so schafft man aus Sicht des Biologen und Varroa-Experten Wolfgang Ritter damit einen ähnlichen Teufelskreis wie er in der Medizin im Zusammenhang mit dem steigenden Antibiotika-Einsatz diskutiert wird: Es muss immer häufiger behandelt werden, um eine ausreichende Wirkung zu erzielen.

Ritter hat in seiner Imker- und Bienenforscher-Karriere festgestellt, dass noch vor einigen Jahrzehnten Bienenvölker erst bei einer Belastung mit über 10.000 Milben zusammengebrochen sind. Heute geschehe dies bereits bei rund 2.500 Milben. „Durch die jährlich wiederholte Behandlung werden die Milben selektiert und nur die starken überleben “, sagt er. Deshalb führt der Einsatz von Medikamenten letztendlich in eine Sackgasse. Wobei „Medikamente“ gegen die Varroa-Milbe heutzutage schon fast gleichzusetzen ist mit organischen Säuren. Bei uns finden andere Mittel kaum mehr Anwendung, aber dafür gibt es immer mehr Einsatzvarianten und Produkte, die Ameisen- oder Oxalsäure enthalten.

„Der Ruf der Imker nach neuen Medikamenten führt zu keiner Lösung des Problems“, formuliert der Bienenpathologe, warum es so wichtig ist, sich anzusehen, wie Apis cerana es schafft, mit der Milbe klarzukommen, statt auf neue Bekämpfungsmittel zu setzen. Ihr Verhalten könne man zum Vorbild nehmen und daraus die sogenannten biotechnischen Methoden zur Varroa-Bekämpfung ableiten.

Grundsätzlich geht es dabei darum, die Anzahl der Milben im Bienenvolk so gering wie möglich zu halten, denn das begrenzt auch die Menge der Viren. Biotechnische Methoden bieten dafür Hilfsmittel über die ganze Bienensaison hinweg – auch direkt vor und während der Honigernte. Denn Medikamente darf man weder vor noch während der Tracht anwenden.

Wolfgang Ritter hat sich viele Jahre wissenschaftlich mit der Varroa-Milbe befasst. Bis vor zwei Jahren leitete er als Experte der Weltorganisation für Tiergesundheit die Abteilung für Bienenkunde am Tierhygienischen Institut in Freiburg im Breisgau (heute CVUA-Freiburg), außerdem hat er mehrere Fachbücher darüber geschrieben, wie man Bienen möglichst gesund erhält. Die Entnahme der Drohnenbrut bezeichnet er als mögliches Instrument mit hohem Effekt. Die Apis cerana (östliche Honigbiene) würde wohl ähnlich vorgehen um sich gegen die Milbe zu wehren: „Die Deckel auf den Brutzellen der Drohnen sind viel dicker als bei unseren Bienen, sodass ein durch Varroa-Befall zu sehr geschwächter Drohn nicht mehr schlüpfen kann. Wenn die Arbeiterinnen dies mitbekommen, verschließen und konservieren sie die Zelle mit Propolis“, berichtet er. Die Made stirbt und mit ihr die Milben. Befinden sich in einem Bienenvolk nun sehr viele dieser derart verschlossenen Zellen, kann es passieren, dass das gesamte Volk das Nest verlässt und ausschwärmt. Dieses Verhalten kennt die Apis mellifera nicht.

 

Um den Bienen im Verlauf der Saison eine weitere Erleichterung von den Varroa-Milben zu verschaffen, sollte man zwischenzeitlich eine Situation schaffen, in der das Volk ohne verdeckelte Brut ist. So kann man die Milbenzahl soweit einschränken, dass weniger Behandlungen mit Ameisen- oder Oxalsäure nötig sind. Ganz darauf verzichten, kann man durch biotechnische Verfahren allerdings auch aus Sicht von Wolfgang Ritter nicht: „Ich möchte keine Luftschlösser bauen, aber darauf hinweisen, dass man sich nicht blind auf die Wirkung von Medikamenten verlassen soll“, sagt er und erwähnt dabei das Stichwort „Schadschwelle“, die es beim Umgang mit der Varroa-Milbe zu beachten gelte. Denn die Milbe komplett loszuwerden sei unmöglich. Ritter plädiert dafür, den Begriff „Varroa-Virus-Infektion“ einzuführen, da man grundsätzlich verhindern will, dass die Milbenanzahl so hoch steigt, dass die Viren einen Schaden anrichten. Mit ein paar wenigen Milben kommen die Bienen nämlich ganz gut alleine klar.

 

Oxalsäurebehandlung im Winter

Da die Brutfreiheit für die Reduzierung der Varroa-Belastung sehr wichtig ist, hält er für diesen Zweck auch wenig von der klassischen Ablegerbildung mit Brutwaben. Zwar teilt man dabei auch die Milbenbelastung auf; einen wirklichen Effekt konnte er in seiner imkerlichen Laufbahn aber nie beobachten. Anders sehe es aus, wenn man einen Ableger als sogenannte Schwarmvorwegnahme bildet – also sobald das Volk in Schwarmstimmung kommt, den Schwarm simuliert. Dazu wird das Volk in einen Flugling und einen Brutling aufgeteilt. Der Flugling entspricht dem Schwarm, in dem die Königin erst nach Bau der Waben Eier legen kann. Im Brutling muss die Königin erst begattet werden, bevor neue Nachkommen entstehen.

Um eine Brutfreiheit herzustellen, gibt es jedoch noch weitere Verfahren, die man auch mit einer Behandlung mit organischen Säure kombinieren kann. Da die Milben im brutfreien Zustand nicht in den Zellen, sondern auf den adulten Bienen sitzen, ist der Wirkungsgrad der Säuren höher. Außerdem kann man dann statt Ameisensäure Oxalsäure sprühen, die als etwas besser verträglich gilt. Anders als Ameisensäure wirkt sie nicht in verdeckelte Brutzellen hinein.

Zu den weiteren Verfahren gehört die Brutunterbrechung durch das Käfigen der Bienenkönigin bzw. das verbannen der Königin auf eine oder wenige Waben.
Beim Käfigen der Königin setzt man diese für 25 Tage in einen Fangkäfig, so dass sie keine Eier mehr legen kann. Durch die Schlitze des Käfigs wird sie jedoch von den Arbeiterinnen weiter gefüttert und diese sehen keinen Grund sich eine neue Königin heranzuziehen. In den 25 Tagen kann die noch vorhandene Brut auslaufen und auch danach dauert es noch einige Zeit, bis wieder Zellen vorhanden sind, in denen sich die Milben auf den Maden vermehren können.

 

Wolfgang Ritter arbeitet heute bei der von ihm mitgegründeten Organisation „BEES for the world“. Hier zeigt er einer Imkerin in Tansania die Puderzuckermethode. (Foto: Ute Schneider-Ritter)

Vergessen darf man bei der Behandlung sowohl mit Ameisen- als auch mit Oxalsäure allerdings nicht, dass diese immer auf das gesamte Volk und seine direkte Umgebung wirken. Wolfgang Ritter vergleicht das mit dem Einsatz von Antibiotika: „Wenn wir ein Antibiotikum verschrieben bekommen, bekommen wir meist gleich ein Mittel dazu, das die Darmflora wieder aufbaut, denn das Antibiotikum tötet nicht nur die Bakterien ab, die wir loswerden wollen, sondern auch die anderem in unserem Darm, die für unser Immunsystem wichtig sind.“ So stört jede Säurebehandlung das natürliche Gleichgewicht im Bienenstock und schwächt Abwehr von Krankheiten des Bienenvolks. Auch dann können Viren schneller angreifen – ob die, die die Varroa-Milbe überträgt oder andere.

Mehr zu den Biotechnischen Verfahren und vor allem die praktische Umsetzung in der ökologischen Bienenhaltung gibt es in unserem Vertiefungsseminar.

Autorin: Jana Tashina Wörrle

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