Bienen im Klimawandel: Herausforderungen und Chancen

Die Imkerei steht angesichts des Klimawandels vor neuen Herausforderungen. Bienenpflege, Zucht und Wissenschaft sind schon dabei, sich auf die Veränderungen einzustellen.

Autorin: Josephine Ziegler

Die Winterpause für Bienen und Imker:innen wird kürzer

Die Bäume sind noch kahl an diesem Vorfrühlingstag. Doch ein paar Sonnenstrahlen erwärmen zögernd die Luft und man sieht schon ein paar Bienen durch den Garten fliegen. Noch bevor die ersten Blüten großflächig aufbrechen, hat Nico Martens, Hobbyimker und Vorsitzender des Kreisimkerverbands Stade, bereits die Bienenpflege begonnen. „Ich habe es noch so gelernt, dass man vor der Stachelbeerblüte, also im April, nicht an die Kisten geht.“ Die Imker:innen hatten in der Regel im Winter Pause. Genau wie die Honigbienen. Wenn die Tage kälter wurden, hörten sie auf zu brüten. Am Ende des Jahres, wenn das Volk brutfrei ist, können Martens und seine Kolleg:innen eine Oxalsäurebehandlung gegen die Varroamilbe anwenden und – so die Lehre bislang – einen letzten Blick in den Stock werfen, bevor sie die Bienen über den Winter in Ruhe lassen.

“Die Bienen brauchen uns immer früher.”

Niko Martens, Hobbyimker und Vorsitzender des Kreisimkervereins Stade, hat schon im März begonnen, nach seinen Bienen zu sehen.

Buffet vor der Haustür

Frühblüher in der Nähe der Bienenstöcke bieten den Völkern schon früh im Jahr Nahrung und weiten so die Trachtsaison aus.

Die Honigbienen beginnen früher im Jahr zu brüten

Doch seit ein paar Jahren ist das anders. In den wärmeren Wintern, die wir erleben, beginnen die Bienen wesentlich früher, wieder zu brüten. Kommt nochmal ein Kälteeinbruch, wie auch in diesem März, hören sie normalerweise nicht wieder auf. Sie ziehen sich zusammen, um die Brut warmzuhalten. Dabei kann es passieren, dass sie sich in eine Ecke zurückziehen und die Futterwaben nicht mehr erreichen können. Dann sind die Imker:innen gefragt. Schon in den ersten Monaten des Jahres müssen sie sicherstellen, dass die Bienen nicht verhungern. Martens schiebt schon im Januar und Februar bei Bedarf das Futter heran. Während sie die Brut und die Königin warmhalten, verbrauchen die Arbeiterinnen mehr Energie als früher üblich. Martens: „Als ich gelernt habe, rechnete man mit 15 Kilogramm Futter pro Volk und Jahr. Heute brauche ich 20 bis 22 Kilogramm.“

Apfelblüte im Alten Land

Wenn im Alten Land die Apfelbäume blühen, kommen tausende von Imker:innen mit ihren Bienenvölkern. Mittlerweile blüht der Raps zur gleichen Zeit – Trachtlücken entstehen!

Der erhöhte Futterbedarf hat neben der längeren Aktivitätsphase noch eine weitere Ursache: die Verknappung des Futterangebots. Südlich von Hamburg, wo Martens seine 16 Völker hält, ist das Alte Land mit seinen Apfel- und Kirschbeständen die Haupttracht für die Honigbienen. Nach der Obstblüte konnten die Bienen in früheren Jahren noch fünf bis sechs Wochen den blühenden Raps anfliegen. Durch den Klimawandel haben sich die Blütezeiten verschoben. Beide Trachten fallen jetzt in dieselbe Periode. Im ländlichen Raum, der zu großen Teilen durch Monokulturen geprägt ist, ist nach der Rapsblüte kaum noch Angebot für die Bienen vorhanden. Als Strategie, das Nahrungsangebot ein wenig auszuweiten, pflanzt Martens viele Frühblüher in seinen Garten.

Zu kurze Brutpausen durch milde Winter

Da die Behandlung der Bienenvölker gegen die Varroamilbe mit Oxalsäure Brutfreiheit voraussetzt, haben die Imker:innen es schwerer, diese durchzuführen, wenn die Bienen kürzere Brutpausen einlegen. Um diesem Problem entgegenzutreten, will der Kreisimkerverein Stade mit seinen 430 Mitgliedern langfristig milbenresistente Bienen züchten. Wie die Östliche Honigbiene (Apis cerana) sollen sie selbst die Milben in ihrem Stock erkennen und die entsprechenden Zellen ausräumen können, sodass die Vermehrung der Milben gestört ist. „Mit der Zucht helfen wir ein bisschen nach, damit sich die Westliche Honigbiene schneller an das Leben mit den Milben anpasst“, so Martens.

Gegen die Hitze

Weiß lackierte Bienenstöcke könnten ein effektives Mittel sein, um Bienenvölker vor zu großer Hitze zu schützen. Außerdem sollten Standorte mit Schattenstunden am Nachmittag für die Bienenbehausungen ausgewählt werden, um das Überhitzen der Völker zu vermeiden und Wabenabriss vorzubeugen.

Mit Hitze und Trockenheit kommt die Honigbiene vergleichsweise gut zurecht. Das kann auch Dr. Annely Brandt bestätigen. Die Wissenschaftlerin forscht am Bieneninstitut im hessischen Kirchhain.

Blick in die Wissenschaft: Was bringt ein Erzwingen der Brutpause?

Dr. Brandt und ihre Kolleg:innen beschäftigen sich mit der Frage, welche Auswirkungen die milden Winter mit ihren verkürzten oder wegfallenden Brutpausen auf Honigbienen haben. In einem dreijährigen Feldversuch haben sie die Königin über den Winter in einen Käfig innerhalb des Stocks gesetzt und so am Brüten gehindert. Dieser Käfig ist so flach, dass er für die Eiablage nicht genügend Platz bietet, in Breite und Höhe aber groß genug, dass die Königin sich mit dem Volk bewegen kann. Die Arbeiterinnen können durch die Schlitze des Käfigs weiterhin die Königin versorgen. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass die Königin dadurch keine Schäden nimmt: die Völker schrumpften nicht mehr oder weniger als die Vergleichsvölker ohne Käfig, und nach dem Freilassen gehen die Königinnen unmittelbar wieder zum Brüten über. Brandt und ihr Team konnten einen Vorteil der Käfigung beobachten: durch die erzwungene Brutpause verringerte sich die Milbenbelastung im Vergleich zu den Vergleichsvölkern.

Die Bienenkönigin steuert das Geschehen

Als einziges fortpflanzungsfähiges Weibchen ist die Königin entscheidend für das Brutverhalten des Bienenvolkes.

Königinnenkäfig

Durch gezieltes Käfigen der Königin in den Wintermonaten kann eine Brutpause erzwungen werden.

„Der Käfig ist eine Möglichkeit, als Mensch den Bienen gezielt zu helfen“, sagt Brandt über die ersten Ergebnisse. „So kann die Winterbehandlung gegen die Varroamilbe effizienter oder sogar unnötig werden.“ In Polen und Italien sei diese Praxis schon verbreitet, das Bieneninstitut habe die Auswirkungen nun erstmals gezielt wissenschaftlich untersucht. In einer experimentellen Phase gilt es nun, weiter zu klären, wann der optimale Zeitraum für die Käfigung ist. Andererseits gibt es bei ungestörter Winterbrut auch mehr Bienen, die nachkommen. Die Auswertung der Langlebigkeit und Physiologie der Winterbienen steht noch aus. Mit den Ergebnissen dieser Untersuchung ließe sich besser einschätzen, ob die milden Winter auch positive Effekte auf die Population der Honigbiene haben könnten.

Top 3 Auswirkungen des Klimawandels auf die Honigbiene

  1. Kürzere Brutpausen durch milde Winter
  2. Größere Anfälligkeit für die Varroamilbe
  3. Verkürzte Trachtzeiten durch Verschiebung der Blühzeiten

Als nächstes beteiligt sich das Bieneninstitut Kirchhain an einem europaweiten Forschungsprojekt über die Auswirkungen des Klimawandels auf die Honig- und Wildbienen. Die teilnehmenden Institute können durch das Projekt verschiedene Klimazonen und zahlreiche regionale Praktiken betrachten, um den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen. „Es gibt schon viele Lösungen, die noch nicht allen Imker:innen bekannt sind“, sagt sie über die internationale Vernetzung. Außerdem soll eine WikiBEEdia entstehen, die den Austausch fördert. „Zu diesem Zeitpunkt können wir noch etwas tun“, betont Brandt. Und dafür ist es am besten, alle Kräfte zu bündeln.

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Bildnachweis

1: Titelbild
2: Imker Niko Martens
3: Frühblüher
4: Altes Land
5: Bienenstöcke
6: Königin
7: Käfig

Franck Hidvégi, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Niko Martens
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Karine Chevrier Graphiste via shutterstock
via Canva
Alix Roosen

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