Gehalt ist für alle wichtig. Kein Wunder, bezahlen wir davon doch Miete, Essen, Notwendigkeiten und Nicht-Notwendigkeiten unseres Lebens. Wir alle arbeiten, um unser Leben gestalten zu können. Und wir bei Stadtbienen natürlich auch deshalb, weil wir Bienenwohl und gesunde Ökosysteme fördern möchten. Aber Moment: Stadtbienen ist gemeinnützig und existiert folglich nicht, um Profit zu generieren, sondern um eben jenen Bienenschutz im Sinne des Gemeinwohls voranzubringen. Sollte dieses Prinzip dann aber nicht auch beim Gehalt gelten? Was heißt es, wenn nicht der eigene Gewinn, sondern das Wohle aller im Mittelpunkt steht? Diese und weitere Fragen kamen bei uns auf, als wir uns mit einem neuen Gehaltsmodell für Stadtbienen beschäftigten. Wie die Auseinandersetzung mit dem Thema verlief und was dabei herauskam, verraten wir euch in diesem Blogbeitrag.
Autor:innen: Lena Bergmann & Martin Stelter
Wie die Reise begann
Die Gehälter aller Angestellten waren bei Stadtbienen intern schon von Beginn an transparent. Damit war der erste Schritt in Richtung “New Pay” bereits gemacht. Allerdings sind die Gehälter, aus verschiedenen Gründen, unterschiedlich gewachsen: Die Zahl der Angestellten ist kontinuierlich gestiegen, es kamen weitere Jobprofile mit unterschiedlichen Wochenarbeitszeiten hinzu, Mitarbeitende haben ihre Rollen gewechselt, etc. So gab es zwar ein transparentes, aber doch recht wild gewachsenes System.
Mitte 2022 kamen wir zu dem Schluss, dass es aufgrund der Inflation eine Erhöhung der Gehälter geben muss. Zudem war absehbar, dass in Zukunft noch mehr Menschen bei Stadtbienen arbeiten werden. Es war an der Zeit, über ein neues Modell zu sprechen!
In der ersten Diskussionsrunde wurde klar: Wir wollen kein klassisches Gehaltsmodell, dem die üblichen Faktoren, wie beispielsweise Verantwortung oder Berufserfahrung, zugrunde liegen. Jede Person bei Stadtbienen ist mit Herz dabei und leistet viel. Mehr Verantwortung bringt mehr Gestaltungsfreiheit im Unternehmen. Stress zieht sich quer durch die Positionen und ist von so viel mehr als nur dem Grad an Verantwortung abhängig. Ferner soll niemand in eine Rolle wechseln, weil dies finanziell lukrativ ist, sondern weil die Person am besten dafür geeignet ist und die neue Rolle solidarisch übernimmt. Und letztendlich waren wir uns darüber einig, dass wir alle gerne Stadtbienen sind und niemand hier arbeitet, um den maximalen Profit für sich zu erzielen.
Und so entschieden wir uns, die einzelnen Gehälter von Leistung und Verantwortung zu entkoppeln und stattdessen den persönlichen Bedarf in den Mittelpunkt zu stellen.
Klingt wild? War es auch. Auf dem Weg begegneten uns viele Herausforderungen, Schwierigkeiten und Zweifel.
Das Kernteam unserer Gehalts-AG: Lena und Martin
Mehrere Monate lang führte die AG-Gehalt Gespräche mit allen Mitarbeitenden, um Wünsche und Bedenken hinsichtlich eines neuen Gehaltsmodells einzusammeln
Kein leichter Weg
Im ersten Schritt wurde eine AG Gehalt gebildet, die den Auftrag bekam, ein passendes Modell für ein Bedarfsgehalt zu finden.
Das brachte schnell die offensichtlichste Schwierigkeit ans Licht: Es gibt noch nicht viele Gehaltsmodelle, die den persönlichen Bedarf berücksichtigen. Inspirieren lassen konnten wir uns beispielsweise bei Mein Grundeinkommen, WigWam oder Einhorn. Leider wurde uns dabei aber auch klar: Wir müssen uns ein eigenes Modell basteln, einfach eines zu übernehmen, wird für uns nicht funktionieren.
Wir alle hatten den Wunsch, keine allzu großen Gehaltsunterschiede aufkommen zu lassen. Dennoch sollte den unterschiedlichen Lebensrealitäten und Bedarfen Rechnung getragen werden.
Zu denken gab uns, dass einige Menschen sich selbst weniger zugestehen als andere. Ferner schafft Geld Lebensrealitäten, sodass bisher privilegierte Menschen in aller Regel auch einen höheren persönlichen Bedarf haben.
Und was bedeutet überhaupt “Bedarf”? Das definiert doch jede:r anders. Ist es gerechter Bedarf, wenn ich zweimal wöchentlich Essen gehen möchte? Oder ist der Bedarf gedeckt, wenn ich meine Rechnungen bezahlen kann?
All diese Themen haben wir mit viel Kommunikation und Transparenz bearbeitet. In vielen Einzel- und Teamgesprächen hat die AG Gehalt die Bedürfnisse und Sorgen des Teams gehört und immer wieder Feedback für das weitere Vorgehen eingeholt. Gemeinsam wurden die Begriffe “Minimalbedarf” und “optimaler Bedarf” definiert. In einem Workshop wurden anonym für alle möglichen Bereiche des Lebens (wie Lebensmittel, Hobbys, Urlaub, Kinder) die Bedarfe ermittelt und sichtbar gemacht.
Auswertung der anonymen Bedarfsermittlung
Jeder Punkt steht für die Angabe einer:s Mitarbeitenden von Stadtbienen und bezeichnet das benötigte Gehaltsminimum (Hellblau) und das ideale Optimum (Pink)
Schließlich hatte jede Person einen Gesamtüberblick über die Bedarfe bei Stadtbienen, woraus sich neue Gespräche und Fragestellungen ergaben: Worin sind wir uns ähnlich? Wo gibt es Unterschiede? Löst irgendetwas ein Störgefühl aus? So konnte auch der eigene Bedarf eingeordnet und geschaut werden, ob man tendenziell mehr oder weniger als andere braucht. Auf diese Weise haben wir nach und nach eine gemeinsame Basis für das neue Modell entwickelt.
Eine weitere Herausforderung war, dass wir den Erwartungshaltungen der Förderinstitutionen begegnen mussten, die uns mit Blick auf die Gehälter am liebsten am Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TvÖD) orientiert sähen. Auch hier half uns das direkte, offene Gespräch mit unseren Drittmittelgebern dabei, eine gute Lösung zu finden.
Unsere Lösung: einheitlicher Stundenlohn plus Bedarfsband
Nach 12 Monaten Arbeit lag ein finaler Vorschlag auf dem Tisch, dem das Team und die Geschäftsführung zustimmten. Tatsächlich nahmen alle der damals 14 Angestellten das Angebot für einen neuen Vertrag an und wechselten in das neue Gehaltsmodell – ein Erfolg!
Im neuen Modell bekommen nun alle Mitarbeitenden – vom studentischen Mitarbeiter über die Abteilungsleiterin bis hin zum Geschäftsführer – einen einheitlichen Stundenlohn. Daraus ergeben sich, abhängig von der Anzahl der Wochenarbeitsstunden, unterschiedlich hohe monatliche Grundgehälter. On top kommt das Bedarfsband, welches maximal 44 % des Grundgehalts beträgt. Somit ergibt sich ein unterschiedlicher Spielraum für die Bedarfsdeckung in Abhängigkeit von der Wochenarbeitszeit. Stadtbienen gibt einen Rahmen vor, in dem sich das individuelle Gehalt bewegt. Wie viel jede Person vom Bedarfsband in Anspruch nimmt, entscheidet sie selbst.
Monatliche Grundgehälter und Bedarfsbänder aufgeschlüsselt nach Wochenarbeitsstunden, Stand 2023
Jedes Stadtbienen-Gehalt setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: Zum Fixgehalt wird der individuell ermittelte Mehrbedarf addiert, der sich in einem vorgegebenen Rahmen bewegt.
Bei über Drittmittel geförderten Stellen rechnen wir weiterhin höchstens nach TVöD ab. Alles, was darüber liegt, sind zweckgebundene Eigenmittel, die Stadtbienen selbst zahlt.
Einige Monate nach Einführung des Modells ist die Zufriedenheit immer noch hoch. Dennoch: Lebensumstände und die damit verbundenen Bedürfnisse ändern sich. Wir begreifen unser Gehaltsmodell deshalb nicht als final, sondern checken nun jährlich dazu ein und nehmen – bei Bedarf – Anpassungen vor.
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2: Lena und Martin
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Martin Stelter
Stadtbienen