“Die Biene ist ein Wesen, das du nicht mit einem Buch begreifen kannst”

Paula Scholz leitet bald schon zum dritten Mal unseren Jahres-Imkerkurs in Mainz. An verschiedenen Bildungsorten bringt sie außerdem Kindern und Erwachsenen die Welt der Bienen näher. Wir sprechen mit ihr über ihren Weg zu den Stadtbienen und ihre Erfahrungen als Kursleiterin.

Autorin: Anna Matuschka

Anna:

Paula, wie hast du deine Liebe zu den Bienen entdeckt?

Paula:

Nach der Schule habe ich erst einmal eine Friseurlehre gemacht und war damit auch glücklich. Nach einiger Zeit in dem Beruf ist mir aber aufgefallen, wie wenig Wert dort auf Nachhaltigkeit gelegt wird. Wie viel Strom und Wasser verbraucht wird, wie viel Müll dabei entsteht. Das hat mich in eine Krise gebracht, in der ich gemerkt habe, dass ich einen neuen Weg gehen will. Ich bin aufs Land gegangen und habe dort Robert Friedrich kennengelernt, einen Imkermeister. Bei ihm habe ich dann Imkern im Einklang mit der Biene gelernt.

Mich hat die Biene als Wesen sehr fasziniert, weil sie so wunderbar Zusammenhänge aufzeigt. Ich war schon immer an Kreisläufen und Zusammenhängen interessiert. Anhand eines Bienenvolkes kannst du immer erkennen, wie es der Natur um den Bienenstock herum geht. Welche Jahreszeit ist es? Was blüht gerade? Der Zustand der Bienen ist quasi das Abbild der Landschaft, die sie umgibt.

Die Bienen als Abbild der Natur

Wenn alles duftet und blüht, haben die Bienen viel Nahrung zur Verfügung. Anhand der gelb verdeckelten Wabenzellen erkennt Paula, dass die Bienen ein Brutnest angelegt haben.

Anna:

Inzwischen bist du nicht nur privat Imkerin, sondern gibst dein Wissen auch weiter. Wie bist du dazu gekommen?

Paula:

Nachdem ich auf dem demeter-Hof meines Imkermeisters fast zwei Jahre in einer Holzhütte gelebt hatte, verspürte ich das Bedürfnis, zurück in die Stadt zu ziehen. Bei meinen Besuchen bei Freund:innen und Familie war mir immer wieder aufgefallen, wie viel Wissen über Bienen fehlt. Mir wurde klar: Ich möchte mein Wissen weitergeben, damit die Menschen den Zusammenhang zwischen Bienen und Biodiversität verstehen. Und auch den Wert unserer Natur, der es ja größtenteils sehr schlecht geht.

Als ich gegangen bin, hat mir mein Imkermeister drei Bienenvölker geschenkt. Mit denen bin ich dann zum Schloss Freudenberg gegangen und habe gefragt, ob ich dort arbeiten kann. Das Schloss Freudenberg ist Teil des BNE-Netzwerks Hessen und als Bildungsort für nachhaltige Entwicklung zertifiziert. Dort gibt es das “Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne und des Denkens”. Seit 2018 gestalte ich dort für Schul- und Kita-Kinder, aber auch für Erwachsene, Begegnungen mit den Bienen.

Ein leidenschaftlicher Lehrauftrag

Paula möchte nicht nur Bienen halten, sondern ihr Wissen über Bienen und Umwelt weitergeben.

Frühjahrsdurchsicht an einer Schule

Im Schulgarten hält sie drei Bienenvölker und bringt Kindern die Welt der Bienen näher.

Anna:

Warum hast du dich dafür entschieden, bei Stadtbienen Imkerkurse zu leiten?

Paula:

Die Arbeit im Erfahrungsfeld am Schloss Freudenberg ist eher metaphorisch und auf die Sinne bezogen: “Könnt ihr die Bienen hören? Könnt ihr sie riechen?” Das ist natürlich sehr schön. Es hat mir allerdings nicht ganz ausgereicht, da ich gern mehr Wissen weitergeben wollte. Von Anfang an fand ich den Ansatz der Stadtbienen schön, Menschen die ökologische Imkerei nahe zu bringen. Wir dürfen nicht vergessen, dass es den Bienen schlecht geht. Die Honigbienen sind zwar nicht vom Aussterben bedroht, aber die konventionelle Imkerei ist wie Massentierhaltung. Und dann gibt es noch die Wildbienen, die in unserer Kulturlandschaft nicht mehr genug Nahrungsangebote haben. Mir gefällt, dass die Stadtbienen ihr Augenmerk auch auf die Wildbienen legen – und neben der Bienenhaltung auch Hintergrundwissen zu den größeren ökologischen Zusammenhängen vermitteln.

Anna:

Aus welchen Gründen entscheiden sich die Teilnehmer:innen dafür, am Imkerkurs teilzunehmen? Und wie setzen sich die Gruppen zusammen?

Paula:

Die meisten Teilnehmer:innen möchten tatsächlich Bienen halten. In der letzten Saison gab es aber auch einen Imkerkurs, in dem etwa zwei Drittel der Teilnehmenden einfach an Bienen interessiert waren. Die Bienenkurse sind ja so konzipiert, dass man parallel dazu sein erstes eigenes Bienenvolk anschaffen kann. Am Anfang informieren wir darüber, wie man an ein Volk kommen kann. Dann sind die Termine immer so gelegt, dass sie ein paar Wochen, bevor die Arbeiten anstehen, stattfinden. Das Jahr über stehe ich als Ansprechpartnerin parat, falls etwas Akutes ist. Außerdem vernetzen sich die Teilnehmer:innen untereinander und helfen sich gegenseitig, auch über die Dauer des Kurses hinaus.

Ich finde es schön, dass die Gruppen sehr gemischt sind. Es gibt verschiedene Altersklassen, Geschlechter und Beweggründe. Manche sind gerade in Rente, haben Zeit, einen Garten und Lust sich zu betätigen. Aber es sind auch viele junge Leute dabei – darüber freue ich mich jedes Mal. Und auch Lehrer:innen, die Bienen an ihrer Schule etablieren wollen. Das Tolle ist: Alle werden abgeholt und an die Hand genommen, auch ohne dass man je ein Bienenbuch gelesen hat. Die Biene ist ohnehin ein Wesen, das du nicht im Buch begreifen kannst.

Imker-Handgriffe selbst erproben

Der Imkerkurs von Stadtbienen bietet viele Möglichkeiten zur praktischen Arbeit. Bei Fragen steht Kursleiterin Paula zur Seite.

Anna:

Du hältst selbst 13 Bienenvölker. Ist Imkern für dich eher ein Solo-Ding, oder suchst du dir Unterstützung und Austausch?

Paula:

Imkern ist auf gar keinen Fall ein reines Solo-Ding. Man braucht definitiv viele Imker:innen um sich herum, um sich auszutauschen. Jedes Volk ist anders, jede Tracht, jedes Wetter, jedes Bienenjahr. Imker:innen sind sehr viel miteinander in Kontakt und helfen einander aus, wenn sie verreist sind, tauschen Schwärme aus… In meiner Erfahrung jedoch differenzieren sie nach der Imkerweise. Ich habe zum Beispiel gar keinen Kontakt zu konventionellen Imker:innen.

Imkern ist ein schönes Zwischenspiel: ich bin einerseits sehr vernetzt, aber sobald ich am Volk bin, ist es eine meditative, ruhige Arbeit. Da darf ich ja auch nicht aufgeregt sein, da die Bienen das spüren würden. Ich werde automatisch ruhig und bin dann nur im Tun: mit mir, den Bienen und den Geräuschen der Natur.

Meditative Arbeit am Bienenstock

Mit Ruhe und Achtsamkeit setzt Paula den Deckel auf der Bienenbehausung am Ende der Durchsicht wieder auf, um keine einzige Biene zu verletzen.

Anna:

Was würdest du dir für die Beziehung zwischen Menschen und Bienen wünschen?

Paula:

Dass die Biene eins von den Tieren wird, das man schon als Kind kennt und identifizieren kann. Viele Leute können Bienen und Wespen nicht unterscheiden. Wenn ich Schulklassen frage: “Was machen die Bienen?”, kommt als allererste Antwort: “Sie stechen.” Und meistens kommt danach nichts mehr. Trotz Biene Maja. Diese Comicfigur ist ja auch schwarz-gelb gestreift wie eine Wespe – statt braun wie die flauschige Biene.

Es wäre schön, wenn wir den Bienen den Platz zusprechen würden, den sie als unglaublich wichtige Bestäuber verdient haben. Bienen sind dafür zuständig, dass unsere Landökosysteme funktionieren: Die meisten Pflanzen würden sich nicht vermehren, wenn es keine Bienen und andere Bestäuber gäbe. Ohne Bienen wären zwei Drittel unserer Lebensmittel nicht da. Wir sind nicht nur von ihnen abhängig, wir sind ein Teil dieses Systems – und wenn es dem nicht gut geht, dann geht es uns auch nicht gut. Schon deshalb sollten wir den Lebensraum der Bienen erhalten.

Einfach ökologisch Imkern lernen

In unseren Imkerkursen nehmen wir dich mit in die faszinierende Welt der Honigbienen – und das in mehr als 25 Städten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sichere dir jetzt deinen Platz im Imkerkurs in deiner Stadt!

Bildnachweis

Header Porträt:
Header Hintergrund:

Paula Scholz
via Unsplash

1 und 5:
2 bis 4:

Christina Hermanski
privat

Ein Kommentar zu ““Die Biene ist ein Wesen, das du nicht mit einem Buch begreifen kannst”

  1. Ralf Edgar Zimmer sagt:

    Tolles Interview. Ich habe das Glück, Paulas Liebe und Hingabe für die Bienen live in einem ihrer Kurse miterleben zu dürfen. Bienen sind wirklich besondere Lebewesen, die uns Menschen sehr viel lehren können. Danke Paula, für Deine wunderbare Arbeit, die du als Brückenbauerin zwischen Mensch und Bienen leistest. Herzliche Grüße Ralf

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert