Risiko Biodiversitätsverlust: 3 Gründe, weshalb Unternehmen jetzt handeln sollten

Die Ökosysteme unseres Planeten sind schützenswert. Versagen sie, hat das weitreichende Folgen für uns alle.

Autorin: Anna Matuschka

Der Rückgang der biologischen Vielfalt ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Das ist nicht nur für unsere Umwelt ein Problem, sondern auch für die Wirtschaft, die auf intakte, funktionsfähige Ökosysteme angewiesen ist. Expert:innen stufen den Verlust der Biodiversität als genauso gravierend ein wie den Klimawandel und sehen einen wechselseitigen Zusammenhang zwischen beiden Phänomenen. 

Auf dem Biodiversitätsgipfel in Montreal im Dezember 2022 haben die Vertragsstaaten konkrete Ziele beschlossen, um den weltweiten Verlust an Biodiversität bis 2030 zu stoppen. Die Staaten verpflichten sich, die Ziele in nationales Recht umzusetzen und halten Unternehmen dazu an, nachhaltig zu handeln. Unternehmen in der EU werden schon ab 2024 umfangreicher über ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten berichten müssen.

Biodiversität  Begriffserklärung
Der europäische Reporting-Standard zu biologischer Vielfalt definiert Biodiversität als „Variabilität unter lebenden Organismen jeglicher Herkunft, darunter unter anderem Land-, Süßwasser-, Meeres- und sonstige aquatische Ökosysteme und die ökologischen Komplexe, zu denen sie gehören.” [1]

Biodiversität umfasst also die Artenvielfalt, die Vielfalt an Lebensräumen, aber auch die genetische Vielfalt innerhalb einzelner Arten sowie die Vielfalt aller Organismen eines Lebensraums.

Unternehmen sind durch schwindende Biodiversität erheblichen Risiken ausgesetzt. Diese gehen weit über die operative Ebene und die Verfügbarkeit natürlicher Ressourcen hinaus und können regulatorischer oder rechtlicher Natur sein, die Reputation und den Wettbewerb betreffen. Drei dieser Risiken haben wir genauer unter die Lupe genommen und dabei auch einige Chancen identifiziert. Hier sind drei Gründe, weshalb das Thema Biodiversität branchenübergreifend relevant ist:

1. Erweiterte Reporting-Richtlinien

Um das gesamte Wirtschaftssystem nachhaltiger zu gestalten und Europa bis 2050 klimaneutral zu machen, verfolgt die EU eine “Sustainable Finance”-Strategie. Sie soll Investitionen in nachhaltige Unternehmen lenken und langfristige Ziele in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance (ESG) fördern. Diese Strategie umfasst drei Säulen: Die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) sorgt dafür, dass die Nachhaltigkeit von Finanzprodukten klarer erkennbar ist. Die EU-Taxonomie definiert ESG-Kriterien, die bestimmen, welche Wirtschaftstätigkeiten als nachhaltig eingestuft werden. Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die 2024 in nationales Recht umgesetzt wird, ist das neueste Instrument innerhalb dieser Strategie.

Die CSRD erfordert umfassendere Nachhaltigkeitsberichte von Unternehmen, einschließlich verpflichtendem Reporting zu Biodiversität. Sie löst die bestehende Richtlinie über die nichtfinanzielle Berichterstattung (NFRD) ab und erweitert sie um verbindliche Berichtsstandards zu den übergeordneten Themen Umwelt, Soziales und  Unternehmensführung. Neu hinzu kommt auch ein Reporting-Standard zu Biodiversität und Ökosystemen. Die größere Rolle der Biodiversität in der Berichterstattung unterstreicht die wachsende unternehmerische Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung. Die neuen Berichtspflichten zielen auf eine grundlegende Umgestaltung der Unternehmenspraktiken ab. Es geht um einen umfassenden Wandel in der Art des Wirtschaftens innerhalb der planetaren Grenzen.

Corporate Sustainability Reporting Directive

Die CSRD wird bald noch mehr Unternehmen in der EU dazu verpflichten, Nachhaltigkeitsberichte zu erstellen.

Berichtspflichten zu Biodiversität: Herausforderung und Chance

Wenn Unternehmen über Biodiversität berichten müssen, stehen sie vor einer Reihe von Fragen: Sie müssen ihren Übergangsplan zu einer biodiversitätsfreundlichen Wirtschaftsweise beschreiben und messbare Ziele formulieren. Sie müssen verstehen und darlegen, welche Auswirkungen ihre Geschäftstätigkeit auf die Biodiversität hat und inwieweit sie von Ökosystemleistungen abhängig sind. Das zu messen ist nicht einfach, da hier mehrere Dimensionen und Messebenen berücksichtigt werden müssen. 

Die Komplexität der Berichtspflichten kann für Unternehmen eine Hürde darstellen und mit einem zusätzlichen Ressourcenaufwand verbunden sein. Die EU-Direktive sieht vor, dass die Nachhaltigkeitsberichte als Teil des Geschäftsberichts von unabhängigen Dritten geprüft werden. So soll sichergestellt werden, dass die bereitgestellten Informationen korrekt sind. Den höheren inhaltlichen Anforderungen müssen sich somit alle Unternehmen stellen, die unter den Anwendungsbereich der CSRD fallen. Bis 2026 wird dies in Deutschland nach und nach rund 15.000 Unternehmen betreffen – bisher waren es ca. 500 [2]. Hier können jene Unternehmen punkten, die sich schon heute mit Nachhaltigkeitsrisiken auseinandersetzen und Strategien zur Förderung von Biodiversität entwickeln. 

2.  Risiko Reputationsverlust

Die erweiterte Berichterstattung zu Biodiversität fordert mehr Transparenz und wird den Druck auf Unternehmen erhöhen, Verantwortung zu übernehmen. Auch das zunehmende Bewusstsein für Nachhaltigkeit führt dazu, dass Kund:innen das Thema Biodiversität in ihrem Konsumverhalten berücksichtigen. Unternehmen, die die Biodiversität gefährden, riskieren somit Imageschäden, was sich negativ auf Umsatz und Markenreputation auswirken kann. 

Im Gegensatz dazu haben Unternehmen, die Biodiversitätsschutz in ihre Geschäftsstrategie integrieren, einen Wettbewerbsvorteil. Verantwortungsvolle Firmen, die sich für den Erhalt von Ökosystemen einsetzen und ein unternehmerisches Biodiversitätsmanagement etablieren, werden als Vorreiter auf dem Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaft wahrgenommen, die die begrenzten Ressourcen unseres Planeten respektieren und für kommende Generationen vorsorgen. Sie können nicht nur das Vertrauen der Kund:innen, sondern auch das von Investoren stärken.

Was ist unternehmerisches Biodiversitätsmanagement?

Biodiversitätsmanagement bezieht sich auf die Maßnahmen und Strategien, die Unternehmen umsetzen, um ihre Auswirkungen auf die biologische Vielfalt zu verstehen, zu minimieren und positiv zu beeinflussen. Dabei wird Biodiversität als ein integraler Bestandteil des unternehmerischen Handelns betrachtet und Teil der Unternehmensstrategie. Somit werden Biodiversitätsziele bei betrieblichen Entscheidungen und in Geschäftsplänen berücksichtigt. Dadurch werden nicht nur Risiken abgewendet (z. B. in Bezug auf Regularien, Reputation oder Lieferkettensicherheit), sondern auch Innovationschancen und Wettbewerbsvorteile identifiziert.

Wilde Wiesen als Insektenschutzgebiete

Integrierte und nachhaltige Lösungen an Unternehmensstandorten fördern die lokale Biodiversität und machen das Engagement sichtbar.

3. Ressourcenverfügbarkeit und Kosten

Global wird der wirtschaftliche Wert von Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen auf 125 Billionen Dollar beziffert, was deutlich zeigt, wie abhängig wir von funktionierenden Ökosystemen sind. Durch den Verlust von Biodiversität sind die Verfügbarkeit und die Qualität natürlicher Ressourcen branchenübergreifend gefährdet. Besonders Landwirtschaft, Lebensmittelindustrie, Pharmazie und Textilbranche sind von potenziell steigenden Kosten betroffen. Dabei geht es nicht nur um pflanzliche und tierische Rohstoffe, sondern auch um Ökosystemdienstleistungen wie zum Beispiel sauberes Wasser. 

Der Zusammenhang zwischen Biodiversität und wirtschaftlich wichtigen Ökosystemdienstleistungen wird vor allem am Beispiel der Bestäubung deutlich. Eine wirtschaftliche Leistung von 3,8 Milliarden Euro erbringen Honig- und Wildbienen und andere Fluginsekten durch die Bestäubung von Nahrungspflanzen jährlich in Deutschland. [3] Sie sind die Leistungsträger unserer Landwirtschaft – und auch die Insekten sind vom Massenaussterben betroffen. Heute gibt es 76 % weniger fliegende Insekten als vor 30 Jahren. Grund dafür sind vor allem schwindende Lebensräume, denn Insekten brauchen ein vielfältiges Angebot an Pflanzen und Nistmöglichkeiten. 

Insekten erbringen wichtige Ökosystemdienstleistungen

Bienen, Schmetterlinge und andere Fluginsekten leisten durch die Bestäubung von Pflanzen einen wichtigen Beitrag.

Die Lösung: Biodiversitätsfördernde Maßnahmen

Bei einem ganzheitlichen Biodiversitätsmanagement geht es um viel mehr als vereinzelte Offsetting-Maßnahmen. Den größten Impact erzielen jene Unternehmen, die Biodiversität von Grund auf in ihrem Geschäftsmodell berücksichtigen: im Produktdesign, bei der Auswahl der Zulieferer und in den Herstellungsprozessen. Maßnahmen, die direkt am Unternehmensstandort umgesetzt werden, wie zum Beispiel die naturnahe Pflege von Wiesen, haben einen positiven Einfluss auf die lokale Artenvielfalt. Im besten Fall ergänzen sich grundlegende Anpassungen des Geschäftsmodells, die eine größere Wirkung auf die globale Biodiversität haben, und lokale Maßnahmen.

Mehr Grün am Standort

Dach- und Fassadenbegrünungen sind sichtbare Maßnahmen zur Förderung der lokalen Biodiversität.   

Fazit

Für den langfristigen unternehmerischen Erfolg ist der Erhalt der Biodiversität von zentraler Bedeutung. Unternehmen, die sich bereits heute für den Schutz von Ökosystemen einsetzen und Strategien zur Förderung der Biodiversität an ihrem Standort entwickeln, sind Vorreiter in diesem Transformationsprozess! 

Mit dem Projekt Wilde Wiese helfen wir Unternehmen dabei, die Biodiversität auf ihrem Firmengelände zu steigern, den regulatorischen Anforderungen zu entsprechen und ihren aktiven Beitrag zum Schutz der Artenvielfalt sichtbar zu machen.

In unserem nächsten Artikel zur Wilden Wiese berichten wir darüber, wie wir für unsere Kunden Mercedes Benz und Hines Immobilien Grünflächen naturnah umgestaltet haben!

Möchte Ihr Unternehmen auch Teil der Lösung werden? Die Wilde Wiese ist Ihr einfacher Weg zu mehr Biodiversität an Unternehmensstandorten. Sprechen Sie uns an und stellen Sie uns Ihre Fragen!

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Bildnachweis

1: Titelbild
2: “CSRD”
3: “Wilde Wiese”
4: “Insekten in Ökosystemen”
5: “Mehr Grün am Standort”

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Quellen

[1] Europäische Kommission (2023): Anhang zur Ergänzung der Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung. https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/13765-Erste-europaische-Standards-fur-die-Nachhaltigkeitsberichterstattung_de. (Die ESRS (deutsch) findet ihr hier unter dem Abschnitt “Annahme durch die Kommission” im Anhang C.)

[2] Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production GmbH / Land, E. (2023): Grüne Zahlen, klare Sprache: Nachhaltigkeitsberichte – Was Biodiversität zukünftig mit Ihrem Reporting nach CSRD verbindet. https://www.unternehmen-biologische-vielfalt.de/nachhaltigkeitsbericht-esrs/ <Stand: 14.11.2023> <Zugriff: 7.12.2023> 

[3] Lippert, C., Feuerbacher, A., Narjes, M. (2021): Revisiting the economic valuation of agricultural losses due to large-scale changes in pollinator populations. Ecological Economics, Volume 180. https://doi.org/10.1016/j.ecolecon.2020.106860.

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