Streuobstwiese, Milpa und Co.: Artenvielfalt im Agroforst

Die Streuobstwiese ist in Deutschland das bekannteste Agroforstsystem. Der Begriff “Agroforst” bezeichnet die wechselseitig vorteilhafte Kombination von Bäumen mit landwirtschaftlichen Unterkulturen oder Tierhaltung – eine zukunftsfähige Methode, um landwirtschaftliche Flächen ökologisch und nachhaltig zu bewirtschaften!


Ein Gastbeitrag von Fritz Höfler, Lehr- und Projektbeauftragter an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Arbeitet in seiner Freizeit als zertifizierter Bestäubungsimker und Bienenpädagoge. fritz.hoefler@hswt.de

Agroforst: Eine Symbiose mit viel Potenzial

Die Kombination von Bäumen und Sträuchern mit landwirtschaftlichen Kulturen bietet viele Vorteile. Bäume spenden Schatten, reduzieren damit die Bodentemperatur und schützen den Boden vor Erosion. Die Wurzeln der Bäume können Nährstoffe tief im Boden erschließen und dadurch den Boden fruchtbarer machen. Die Mischkulturen haben Vorteile für die lokale Tier- und Pflanzenwelt.

Angesichts der wachsenden globalen Bevölkerung und der steigenden Nachfrage nach Nahrungsmitteln wird die Agroforstwirtschaft als eine nachhaltige und produktive Landnutzungsoption immer relevanter. Es gibt zunehmend Interesse von Regierungen und Nichtregierungsorganisationen, die Agroforstwirtschaft zu fördern, da sie eine wichtige Rolle im Kampf gegen den Klimawandel und für den Umweltschutz einnehmen könnte.

Sojabohnen wachsen im Schatten der Walnussbäume in Missouri (USA)

Bei der Agroforstwirtschaft werden Bäume und Sträucher mit Ackerkulturen oder Tierhaltung vorteilhaft kombiniert. 

Agroforst rund um den Globus

Agroforstwirtschaft hat ihre Ursprünge in traditionellen landwirtschaftlichen Systemen, bei denen Bäume und Sträucher in Kombination mit landwirtschaftlichen Kulturen angebaut wurden. Diese Systeme sind seit Jahrhunderten in verschiedenen Teilen der Welt in Gebrauch und haben sich aufgrund überzeugender Vorteile bewährt.

Ein Beispiel ist die Praxis der “Milpa” in Mesoamerika, bei der Mais, Bohnen und Kürbisse zusammen mit Bäumen und Sträuchern wie Avocado und Papaya auf einer Fläche angebaut werden. Dieses System bietet zahlreiche Vorteile, einschließlich einer besseren Bodenqualität und einer höheren biologischen Vielfalt. Ein weiteres Beispiel ist das “Taungya”-System, das in Südostasien verbreitet ist. Hier werden Bäume auf landwirtschaftlichen Flächen gepflanzt, um Schatten und Windschutz zu bieten, Bodenerosion zu verhindern und eine zusätzliche Einkommensquelle durch den Verkauf von Holz zu schaffen.

Reiche Ernte

Bei der “Milpa” (wie hier in Michoacán, Mexiko) werden Mais, Bohnen und Kürbisse mit Bäumen und Sträuchern kombiniert.

Mischnutzung statt Monokultur

Im US-Bundesstaat Georgia (siehe Foto), aber auch in Deutschland werden Rinder und Forst kombiniert.

Je nach Region wurden diese Strukturen unterschiedlich bewirtschaftet und entweder gezielt angepflanzt oder als bestehende Landschaftsstrukturen in die jeweiligen Bewirtschaftungen eingebunden. Windschutzhecken wurden auch in unseren Breiten als Deckung für Tiere und Ackerkulturen angelegt und lieferten zusätzlich Produkte wie Brennholz. Wallhecken, in Norddeutschland als „Knicks“ bezeichnet, dienten vor allem der Begrenzung der Schläge. Durch die große Diversität an verschiedenen Baum- und Straucharten deckten sie aber auch einen Teil des lokalen Bedarfs nach Früchten oder Brennholz. Zum Ende des 19. Jahrhunderts begannen diese Bewirtschaftungssysteme, aus unserer Landschaft zu verschwinden. Die Gehölze standen der Technologisierung der Landwirtschaft im Weg. Die Lektion, dass riesige Monokulturwüsten sehr viele Nachteile bringen, musste erst noch gelernt werden.

Die Streuobstwiese: Das bekannteste Agroforstsystem

Traditionelle Streuobstwiesen bestehen aus vielen verschiedenen Hochstamm-Obstbäumen. Als Hochstamm gilt ein Baum, der mindestens 180 Zentimeter Stammlänge bis zum Kronenansatz aufweist. Dabei wurden zumeist Bäume unterschiedlichen Alters, Art und Sorte in oft unregelmäßiger Anordnung gepflanzt, dazwischen Gemüse und Kräuter kultiviert oder die Flächen zur Beweidung genutzt. So sind extensiv genutzte Systeme mit hoher Struktur- und Artenvielfalt entstanden, die vielen und selten gewordenen Pflanzen- und Tierarten einen Lebensraum bieten. Neben der Entwicklungsmöglichkeit für den Artenreichtum leisten Streuobstwiesen auch heute noch einen großen Beitrag an der Fruchtproduktion in Deutschland. Sehr viele Initiativen widmen sich heute ihrem Erhalt.

Ein klassisches silvopastorales Agroforstsystem

Hühner sind ursprünglich Wald- bzw. Waldrandbewohner und genießen auf der Streuobstwiese einen abwechslungsreichen Lebensraum. Sie können unter den Gehölzen Schatten genießen und Schutz vor Greifvögeln finden.

Biodiversität sorgt für Nektar und Pollen

Streuobstwiesen enthalten häufig Strukturelemente wie Nisthilfen, Steinhaufen oder Trockenmauern. Indem sie zahlreichen Insekten, Vögeln und Reptilien, Amphibien und Säugetieren Unterschlupf bieten, erhalten und fördern sie die Artenvielfalt auf der Fläche. Zusätzlich zum Unterschlupf benötigen die Bewohner auch Nahrung in Form von Blüten, Beeren, Früchten, Blättern oder Holz, oder tierische Nahrungsquellen wie Insekten oder Mäuse. Honig- und Wildbienen können sich auf der Streuobstwiese deshalb nicht nur an den Obstbäumen laben, sondern Nektar und Pollen auch von Sträuchern und Kräutern sammeln. Klassischerweise findet man Schlehe, Weißdorn, Berberitze oder Schwarzen Holunder auf der Streuobstwiese. Hervorragende Bienengehölze im Agroforstsystemen sind aber auch Schwarze Johannisbeere, Kornelkirsche, Felsenbirne, Maibeere oder die extrem robuste Aronia.

Vorteile einer Streuobstwiese

  1. Große Artenvielfalt durch vielfältige Lebensräume
  2. Gleichzeitige Erzeugung vielfältiger Produkte wie Obst, Honig, Tierprodukte und Gemüse
  3. Ästhetische Landnutzungsform mit Erholungsfaktor
  4. Gehölze als Schutz und Schatten sowie Nahrungsergänzung durch Fallobst (z. B. für Hühner)
  5. Erhalt von Baumbeständen und alten Sorten

Urbane Agroforstsysteme für Artenvielfalt, Stadtklima und Wohlergehen

Mit der steigenden Nachfrage nach regional und nachhaltig produzierten Lebensmitteln haben Agroforstsysteme im urbanen Raum großes Potenzial. War es früher normal, Lebensmittel im eigenen Garten anzubauen, ist Gärtnern in der Stadt zum Trend geworden. Ob Gemeinschaftsgarten, städtische Streuobstwiese oder Kleingarten – urbane Systeme kommen in vielen Ausführungen, erzeugen aber alle auf kleinem Raum eine Vielzahl von Lebensmitteln. Die Integration von Bäumen hat neben der Produktion von Nüssen, Obst oder Holz gleichzeitig vielfältige positive Effekte auf das städtische Umfeld: neben der Verbesserung des Stadtklimas und der Steigerung der lokalen Artenvielfalt können gemeinschaftliche Gartenprojekte den Zusammenhalt im städtischen Raum stärken. Stadtgrün ist außerdem förderlich für das Wohlergehen und sogar die Gesundheit von Menschen.

Streuobstwiese mit reicher Ernte

Auf Streuobstwiesen finden sich oft alte Apfelsorten – ein schützenswertes Kulturgut! Alte Sorten eignen sich häufig für Allergiker:innen und können resistenter gegen Krankheiten sein.

Imker:innen können von Agroforstsystemen profitieren

Mit Agroforstsystemen können Landschaften so gestaltet werden, dass verschiedenste Bedürfnisse auf kleinstem Raum nachhaltig erfüllt werden. Menschen haben zunehmend Interesse daran, wie und wo die Produkte hergestellt werden, die sie konsumieren. Neben der wirtschaftlichen Komponente spielen Regionalität und ökologische Aspekte eine immer größere Rolle. Nicht nur die Landwirte selbst, sondern auch Naturschützer, Erholungssuchende, etc. haben teilweise großes Interesse daran, wie Landschaften genutzt werden. Imker:innen können sich nicht nur im klassischen landwirtschaftlichen Umfeld platzieren, sondern auch über lokale Streuobstinitiativen, Kleingartenvereine und Gartenbauvereine einen Beitrag im urbanen Umfeld leisten und gleichzeitig durch die Bestäubungsdienstleistung monetär profitieren. 

Durch die extensive Bewirtschaftung von Streuobstflächen können vor allem ökologische Bienenhalter:innen profitieren. Gerade für solche Imker:innen sind diese “ökologischen Oasen” Gold wert. Wichtig ist es aber dann genau an dieser Stelle, das in Deutschland noch mangelnde Wissen über die Agroforstwirtschaft entsprechend zu kommunizieren. Vor allem wenn es um konkrete Projekte und Maßnahmen geht, ist ein kooperatives Zusammenwirken zwischen Flächeneigentümer:innen, Verwaltung und Politik überaus wichtig. Hier ist eine gute Kommunikation der Imker:innen gefragt. Als Imker:in stellt man die Bestäubung und Befruchtung sicher, der oder die Flächeneigentümer:in profitiert – spätestens, wenn die reifen Äpfel und Birnen im Herbst geerntet und vermarktet werden.

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Bildnachweis

1: Titelbild
2: Sojabohnen Missouri
3: Farmer
4: Rinder
5: Altes Land
6: Agroforstsystem
7: Streuobstwiese

Franck Hidvégi via Wikimedia Commons
National Agroforestry Center via Wikimedia Commons
Feria de Productores via Wikimedia Commons
Mack Evans, National Agroforestry Center via Wikimedia Commons
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Skylar Zilka via unsplash
Jürgen Fälchle via shutterstock

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